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Wenn ein Künstler auf ein ganzes Leben zurückblicken kann, wenn er niemandem etwas beweisen will oder muss, und mit dieser Freiheit an die Essenz der Geschichten und Musik in seinem Kopf herangeht, dann können Lieder mit Charakter entstehen, die jenseits der Mode nur für sich selbst sprechen. Dann verbindet sich Chanson mit Pop.

Kay Straßer ist im letzten Jahr 60 Jahre alt geworden, und wer das Glück hat, ihn zu treffen und mit ihm zu sprechen, trifft auf einen Mann, der mit sich im Reinen ist. „Ich will nicht berühmt werden“, sagt er, „ich mache nur so gerne neue Sachen.“ Das ist der Grundtenor seines Lebens, denn obwohl er Psychologe mit eigener Praxis ist, war er auch dreiundzwanzig Jahre lang Mitglied einer Theatertruppe, er hat einen Restaurantführer für Berlin geschrieben, der „eingeschlagen hat wie eine Bombe“, oder auch mal ein Computerprogramm mitentwickelt. Doch jetzt hat er endlich seiner großen Leidenschaft nachgegeben und sein erstes Album „Wieder ein Jahr“ veröffentlicht.

Die Musik ist nämlich nicht einfach nur eine Marotte, die ausgelebt werden will, denn Kay hat sich mit 11 schon eine Gitarre gewünscht und begonnen zu spielen. Lieder von Bob Dylan und deutschen Liedermachern wie Reinhard May und Klaus Hoffmann. „Ich bin auch schon sehr jung zu Charles Aznavour gekommen“, erinnert er sich. Seinen ersten, großen Auftritt hatte er auf dem Schlossplatz im Stuttgart, wo er „Der irrende Narr“ von May sang. Ein Riesenplatz voller Zuschauer. „Da war ich vielleicht 16 oder 17 … und es hat mich damals gepackt.“

Doch erst vor zehn Jahren stand er mit einem eigenen Programm deutschsprachiger Chansons von Charles Aznavour vor einem neuen Publikum, und auch mit seinem zweiten Projekt „Liebe. Basta!“ war er auf den Bühnen Berlins unterwegs. Schon früh stand die Frage im Raum: „Das mit dem Covern ist ja schön – aber was ist mit eigenen Ideen und Texten?“ So begann er 2002 zusammen mit Hannes Kreuziger die Arbeit an den ersten eigenen Liedern. Es wurden mehr und mehr, denn Kay meint es ernst mit seiner Musik. Er mietete einen Probenraum, direkt über seinem Gesangslehrer, in einem Künstlerhof mit Schauspielschule und unter anderem auch einer Garage mit einem Tonstudio, wo die ersten vier Songs aufgenommen wurden. Woraufhin alle Beteiligten meinten: „Lasst uns doch eine CD machen!“

Alle Texte auf „Wieder ein Jahr“ sind dabei erst mit dem Album entstanden, obwohl Kay schon als Kind ganze Gedichtbände geschrieben hat. Er liebt Sprache. „Wenn man mir richtig Schmerzen zufügen will, dann reicht es, wenn der Reim nicht stimmt oder die Metrik. Da verkrampft sich alles.“ Sprache ist seine Liebe und seine Arbeit. „Das Hören: Was genau sagt einer? Was steckt eigentlich dahinter? Was hängt assoziativ an einer Aussage noch dran? Das zu vermitteln ist ein großer Teil meiner Arbeit.“ Er sammelt seine Gedanken „und schöne Sätze – und dann fange ich einfach zu schreiben an.“

Kay lässt sich dabei viel Zeit, ein Lied kann gerne drei Monate reifen, bis es fertig ist – und das ist für seine Arbeitsweise schnell. Mit Sorgfalt und Ruhe entstehen auch die Arrangements für jeden Song und ebenso werden sie aufgenommen. Er nennt das: Ins Gefühl reingehen. „Es gab Situationen, da bin ich wie in Trance aus dem Studio gekommen und habe am ganzen Körper gezittert.“

Nun sind sie also endlich in der Welt, die zehn Lieder aus denen „Wieder ein Jahr“ besteht. Am besten kann man sie als Chanson-Pop bezeichnen, doch sie greifen noch weiter. So spürt man in ihnen eine rockigen Stärke, alles ist kraftvoll und nichts klingt nach einem Debüt, denn Kay Straßer bewegt sich so sicher auf musikalischem Terrain, als hätte er sein Leben nur dort verbracht. Mit feinsinnigem Gespür findet er die richtigen Worte und Melodien und singt nonchalant und mit großer Geste von den kleinen, wichtigen Momenten des Menschseins. Lächelnd und verspielt, lachend und weinend, immer selbstsicher und immer unmittelbar. Man hört, er ist kein Teil des Pop-Geschäfts und will auch gar keiner sein, was ihm eine einzigartige Freiheit und damit die einzigartige Möglichkeiten bietet, genau solche Musik zu machen: Französisches Chanson und deutsche Liedermachertradition verbinden sich mit seinen neuen Vorlieben wie dem Nouvelle-Chanson à la Zaz. Es gibt E-Gitarren, Bläser- und Streichereinsätze, das Klavier tanzt dazu und der Mann hinter der Bar gibt allen Anwesenden spontan eine Runde aus: Auf die Liebe, die Leidenschaft, das Leben – und die Musik.

Das Album erscheint am 14.07.2017.

 

 

Anspiel-Tipp: Track 1 „Wieder ein Jahr“

Anspiel-Tipp: Track 8 „Komm, begleite mich ein Stück“